Portrait Nils Trojan
Nähern wir uns Nils Trojan von außen. Wie sieht er aus? Er ist groß, schlank und sportlich, an den Schläfen bereits ein wenig angegraut. Zu seiner Arbeit als Ermittler bei der fünften Berliner Mordkommission fährt er am liebsten mit dem Fahrrad. Er liebt das Viertel, in dem er wohnt, Kreuzberg an der Grenze zu Neukölln, von den Ortsansässigen liebevoll Kreuzkölln genannt.
Allerdings wohnt er allein, womit wir schon bei seinem Innenleben sind. Seine siebzehnjährige Tochter Emily, die er über alles liebt, hat zwar seit der Trennung ihrer Eltern ein Zimmer bei ihrem Vater, ist aber überwiegend bei der Mutter anzutreffen. Trojans aufreibender Job mit nächtlichen Einsätzen und unzähligen Überstunden machen ein geregeltes Familienleben nahezu unmöglich. Hierin sieht er auch die Hauptursache für das schmerzliche Scheitern seiner Ehe.
Bei seinen Mordermittlungen schont sich Trojan nicht und geht bis an die Grenzen der Belastbarkeit, dabei ist er ein äußerst sensibler Mensch. Nicht nur einmal kränkte ihn sein Vater mit der Bemerkung, er sei doch viel zu weich für seine Arbeit bei der Kripo, und so hat Trojan oftmals das Gefühl, ihm durch beruflichen Ehrgeiz das Gegenteil beweisen zu müssen.
Was ihm aber am meisten zu schaffen macht, ist seine Angst. Regelmäßig wird er von heftigen Panikattacken heimgesucht, die sich durch Schwindel, Herzrasen und Atemnot äußern. Seine größte Sorge ist, dass einmal seine Kollegen etwas davon mitbekommen könnte. Es offen vor ihnen zuzugeben, kommt nicht in Frage, dafür gibt man sich in seinem Job zu überlegen und kühl.
Um so wichtiger ist für ihn die Hilfe, die er sich privat bei der Verhaltenstherapeutin Jana Michels sucht. Sie ist es, die ihn mehr und mehr dazu bringt, sich zu öffnen, die private und berufliche Last von der Seele zu reden. Und sie forscht bis tief in seine Kindheit hinein.
Offenbar gibt es dort ein Geheimnis, einen dunklen Schatten auf seiner Seele. Trojan ahnt gelegentlich, dass dies etwas mit seinem Vater zu tun haben könnte. Doch noch weigert sich sein Unbewusstes, der Fährte weiter zu folgen.
Ausgerechnet seine romantische Veranlagung hindert ihn daran, die heilsame Psychotherapie fortzusetzen, seine Gefühle für Jana sind nun einmal stärker. Glücklicherweise erwidert sie seine Liebe. Dass sie ein Paar werden können, ist für Trojan von großer Bedeutung. Mag sein Beruf noch so viele einsame Wölfe hervorbringen, für ihn ist diese Daseinsform auf Dauer nichts.
Bleibt die Frage, wie er in Zukunft mit seinen Panikattacken umgehen soll. Möglicherweise bedarf es nur eines weiteren Anstoßes von außen, um die Wurzeln seiner Angst freizulegen. Wer ist dieser Nils Trojan also? Sollte sein Charakter in einem Satz zusammenfasst werden, dann vielleicht so: Als Held ist er trotz seines heldischen Namens keinesfalls größer als wir selbst, jedoch ist er aufrichtig bereit, sich seinen Ängsten zu stellen, und als Ermittler kommt ihm gerade seine ausgeprägte Sensibilität zu Gute, da er sich nicht scheut, noch in die schwindelerregendsten Abgründe menschlicher Verbrechen zu schauen.
Max Bentow